30.-31.10.25
Haus Schlesien Dollendorfer Str. 412 53639 Königswinter
Ein Seminar zum 150. Geburtstag von Thomas Mann, in Kooperation mit dem Gerhart-Hauptmann-Haus Düsseldorf
Am 22. März 1937 befand sich Gerhart Hauptmann (1862-1946) bei einem exklusiven Herrenausstatter im schweizerischen Zürich. Ein Angestellter machte ihn darauf aufmerksam, dass sich – zufällig – auch Thomas Mann (1875-1955) im Hause befinde und bot an, ein Treffen herbeizuführen. Hauptmann winkte ab. Auf einem anderen Stockwerk reagierte Thomas Mann auf das gleiche Anerbieten genauso. Beide waren demnach nicht bereit, die außergewöhnliche Situation für eine persönliche Wiederbegegnung zu nutzen. Und dies obwohl sich die beiden seit Jahrzehnten kannten, zeitweilig recht engen persönlichen und ausgiebig brieflichen Kontakt miteinander gehabt hatten. Der aus Schlesien stammende Hauptmann, Literaturnobelpreisträger von 1912, hatte für den eine Generation jüngeren Lübecker Mann früher sogar Vorbildfunktion gehabt, ja Mann hatte dem gemeinsamen Verleger Samuel Fischer (1859-1934) gegenüber emphatisch seine Bewunderung für Hauptmann bekundet und Fischer für die Vermittlung einer ersten persönlichen Begegnung überschwänglich gedankt. Das war bald nach dem Erscheinen von Thomas Manns erstem Roman „Buddenbrooks“ gewesen (1901), dessen nicht zuletzt Fischer überraschender großer Erfolg den jungen Autor erst bekannt machte. Da war Hauptmann längst der führende Dramatiker in Deutschland, ein Rang, den er spätestens seit dem spektakulären Eklat um sein in Schlesien spielendes Drama „Die Weber“ (Uraufführung am 25. September 1894) einnahm. Später war die Beziehung so eng geworden, dass es sogar (zuweilen feucht-fröhliche) Urlaubsbegegnungen der Familien Hauptmann und Mann gegeben hatte.
Und nun wollte Thomas Mann, seinerseits Literaturnobelpreisträger seit 1929, Hauptmann lieber nicht begegnen, umgekehrt dieser Mann auch nicht. Um dieses Ausweichen zu verstehen, muss man – neben manch einer persönlichen Verstimmung – insbesondere die politischen Wege nachvollziehen, welche die beiden international wohl bekanntesten deutschen Autoren seit 1933 eingeschlagen hatten. Um beide bemühte sich das frühe NS-Regime, obwohl beide sich nach 1918/19 eindeutig für die erste deutsche Republik positioniert hatten. Zu wichtig erschienen die beiden, als dass Propagandaminister Goebbels nicht den Versuch unternommen hätte, sie als Aushängeschilder zu instrumentalisieren. Thomas Mann indes verließ Deutschland im Frühjahr 1933, woraus dann schrittweise eine politisch fundierte Emigration wurde. Hauptmann blieb. Zum Zeitpunkt der Zufalls(nicht)begegnung in Zürich hatte sich Thomas Mann bereits öffentlich als herausragender Repräsentant der gegen den NS-Staat agierenden Emigration profiliert, Hauptmann war ein privilegierter Autor in NS-Deutschland, der allerdings hinter den Kulissen den Machthabern ebenso zwiespältig gegenüberstand wie diese umgekehrt ihm.
Das Seminar nimmt einerseits die Entwicklung des Verhältnisses von Gerhart Hauptmann und Thomas Mann in den Blick. Daneben werden – anlässlich des 150. Geburtstages von Thomas Mann – weitere Aspekte aus dessen schriftstellerischem und politischem Lebensweg thematisiert.


